365 Tage Sicherheit Stories

Wenn der Drücker zweimal klingelt

Du hast es sicherlich schon selbst erlebt. Nach Feierabend klingelt es unerwartet an deiner Tür. Ist vielleicht Champions League Übertragung und deine Freunde wollen auf die Couch?  Oder bist du mit der regionalen Tupperparty am dransten? Unsicher schaust du in den Terminplaner. Schweißperlen bilden sich auf deiner Stirn, Fußball-Buddys und Fettnäpfchentussis – Beides erträgst du nur mit genügend Alkohol – leider ist kein Bier im Kühlschrank

Es läutet ein zweites Mal, gefolgt von mehrmaligen Klopfen.

Mist.
Nicht aufgeräumt.
Du schwörst Dir: Ich lass Niemand rein!

Auf dem Hausflur plötzlich Stimmen. Vielleicht etwas Wichtiges? Da deine Neugier ständig wächst,  öffnest du spontan ohne den obligatorischen Blick durch den Türspion.

„Guten Abend, Erwe E. ist mein Name“, stellt sich dir ein gut aussehender junger Mann vor. „Entschuldige bitte die Störung, ich komme im Auftrag Stromkosten für dich zu sparen. Können wir kurz zusammen den Zähler-Stand ablesen?“

Du registrierst: Vor dir steht ein Klinkenputzer eines Energieversorgers.

Noch ist es nicht zu spät. Du reagierst schnell und schreist wütend: „Nein! Nerv nicht und verpiss dich, sonst rufe ich die Bullen!“

Klasse! Super! Beispielhaft! Mit den vielfältigen Möglichkeiten der deutschen Sprache hast du dich dem Vertreter gegenüber sehr elegant ausgedrückt und von seinem Tun merkbar distanziert. Weniger einfühlsam, dafür international verständlich und ebenso wirksam, ist das kraftvolle zuschlagen der Tür.

Oooops? Du findest das zu hart und möchtest lieber mit laschen Einwänden einen Dialog mit dem ungebetenen Besucher beginnen? Vergiss es und lasse dich nicht vom netten Äußeren blenden.

Wer klingelt denn da?

Schwarze Schafe erkennt man nicht an der Farbe

Wer in Treppenhäusern auf Kundenfang geht, will nur eines: Deine Unterschrift und persönlichen Daten. Dazu zählen die Kunden-ID deines Stromlieferanten, die Daten deines Stromzählers und nicht zuletzt deine Telefonnummer (letztere lässt sich gut an Call-Center für Telefonakquise verkaufen). Die Verkäufer stehen meist unter hohem psychischen Druck ihres Arbeitgebers und verwenden allerlei Tricks um dich einzulullen. Sind sie erst einmal bis in deine Wohnung vorgedrungen, ist der einzige Weg sie wieder loszuwerden die Unterschrift auf einem Antrag. Ist es soweit gekommen, achte zumindest darauf, dass vor Unterzeichnung das Datum eingetragen wurde und du eine Durchschrift des Formulars erhältst. Ansonsten liesse sich nachträglich durch eine Rückdatierung deine gesetzliche Rücktrittsfrist abkürzen.


Ein beliebter Trick: Der Vertreter gibt vor, er wurde von deinem Stromanbieter zum Zwecke der Tarifoptimierung geschickt und du müsstest nur ein Änderungsprotokoll unterzeichnen.


Vorsicht, nicht nur Stromjunkies sind auf der ständigen Jagd nach Umsätzen im Haustürgeschäft. Selbst Kirchen, Verbände und Vereine entsenden gut geschulte Werber. Das die Kunden dort Mitglieder genannt werden, macht keinen Unterschied, denn auch eine gemeinnützige Institution ist in heutiger Zeit ein Wirtschaftsunternehmen.

Marktplatz Treppenhaus

Der ehemalige Bauarbeiter Johan Niter, steht beispielsweise im Dienste einer Zeitarbeitsfirma und wirbt um Spendengelder. Auf seine weiße Weste hat er sich vor zwei Wochen mehrere rote Kreuze aufgebügelt – Patches sind in. Das etwas Modebewusstsein durchaus Umsatz fördernd sein kann zeigen die neusten Zahlen: Sein Umsatz hat sich schlagartig verdoppelt. Spezialisiert ist Johan Niter auf ältere Leute, die er meistens schon auf der Straße anspricht. Gerne trägt er deren Einkäufe bis in die Wohnung. Eine finanzielle Zuwendung in Form eines Jahresabos für ein Hilfsprojekt in Afrika oder Not leidende Kinder? Formsache. Ob das Geld auch wirklich ankommt, interessiert ihn nicht – er kämpft selbst ums Überleben.

Etwas anders machen es Malte Serhilfs-Dienst und seine Freundin Deärka.  Im Team sammeln sie kostenpflichtige Mitgliedschaften für eine caritative Organisation, die auch Krankentransporte durchführt. Bezahlt wird auf Erfolgsbasis. Man spricht zwar nicht über Geld, aber branchenüblich gehen vierzig bis achtzig Prozent eines Jahresbeitrages für Provisonen drauf.  Ihr Kontaktgespräch ist brutal: „Stell dir vor in unserer Zentrale gehen zwei Notrufe gleichzeitig ein. Einer von einem Mitglied und einer von einem Nichtmitglied. Was glaubst du, wem wird zu erst geholfen?“

Des Drückers Sonne ist seine Kolonne

Der gebürtige Franzose T. E. Le Kom ist schon länger im Vertrieb tätig. Der Verkaufsprofi kommt mit magentafarbener Krawatte daher und verblüfft bei seinen Haustürgeschäften mit der geschickten Einstiegsfrage: „Ist deine Telefondose weiß oder schwarz?“ Egal was du jetzt antwortest – er ist im Gespräch und prüft kostenlos deine Verbindung. Was für ein netter Kerl – den Kugelschreiber, mit dem du wie von selbst den Wechsel zu einem anderen Internet-Anbieter unterschrieben hast, darfst du selbstverständlich behalten.

Diese Beispiele zeigen nur die Spitze des Eisberges – in großen Mietshäusern geben sich Abzockerkolonnen die Klinke mehrmals in der Woche in die Hand. Befragt man die Konzerne nach ihrer Meinung zu den dubiosen Machenschaften der beauftragten dezentralen Vertriebskolonnen, heißt es, es gebe zu wenig andere Möglichkeiten zur Kunden- oder Mitgliedergewinnung.

Wenn es mal wieder nach Feierabend an deiner Tür klingelt, denke daran: Nur solange du nicht öffnest,  bist du am Drücker.