365 Tage Lifehacks Sicherheit

Vorsicht Farbkopierer

Miese Bankauskunft? Schatten über der Vita? Wem es aufgrund der Vergangenheit schwer fällt eine Wohnung zu bekommen, muss sich bei der Bewerbung um eine Bleibe Mühe geben.

Dokumente kann man leicht anfertigen oder fälschen.

Am besten geht es mit Ehrlichkeit. Bitte den Makler oder den Vermieter um ein Vieraugengespräch. Erkläre die dunklen Flecken im Lebenslauf – stimmt die Chemie, ist alles drin.

In Ermangelung einer blütenreinen Weste greifen gewiefte Interessenten aber auch schon mal tief in die Trickkiste, um Chancengleichheit herzustellen: Lügen, gefakte Lohnabrechnungen, hanebüchene Geschichten – es wird so dick aufgetragen, dass sich ganze Fachwerkhäuser biegen. Und wer sich mit Computer und Technik auskennt, hat sowieso die besten Karten: Ein paar Arbeitsgänge mithilfe des Farbkopierers, ein wenig Photoshop, fertig ist die obligatorische Schufa-Auskunft samt inkludiertem Wasserzeichen schwarz auf weiß.

Besonders fantasievoll trieb es Bert Beule. Mitte dreißig. Sonnengebräunt. Gebildet, selbstbewusst. Er präsentierte sich bei einer öffentlichen Wohnungsbesichtigung im Gewand eines selbstständigen Versicherungsmaklers nebst Eigenheim im Grünen. Frisch von der Ehefrau getrennt suchte er baldmöglichst ein smartes Appartement mit exzellenter S-Bahn Anbindung zur City. Die junge attraktive, elegant gekleidete neue Freundin klebte verliebt am Arm –  kurz über der Rolex.

Bert Beule legte gleich zum Start aktuelle Provisionsabrechnungen der Allianz-Versicherung vor, die einen beachtlichen Verdienst bescheinigten. Ergänzend reichte er reihum Visitenkarten in bester Leinenprägung – ebenfalls mit dem markanten Firmenlogo des Allianz-Konzerns.

Die obligatorische Routineüberprüfung bei der Schufa durch den gelangweilten Makler ergab nichts Nachteiliges – Beule kriegte die Zusage und zog ein.

Tage später sah ich, wie mein neuester Hausbewohner Grünpflanzen geliefert bekam. Mitarbeiter einer nahe gelegenen Baumschule rollten tropischen Palmen in Übertöpfen ins Treppenhaus und stellten sie neben dem Fahrstuhl ab. Einer der Männer signalisierte, die riesigen Pflanzen bis in die Wohnung zu bringen. Beule wiegelte lässig ab und spendierte Trinkgeld.

Eine Woche lang folgten immer zur Mittagszeit Lieferungen diverser Versandhäuser und Inneneinrichter. Schränke, Multimedia, eine lederne Sitzecke, Päckchen, Pakete und Kisten – wunderlich was in eine kleine Bude alles reinpasste. Beule empfing die Boten stets an der Straße und ließ sich die Sachen egal wie unhandlich oder schwer sie waren nur in das Treppenhaus stellen. Den restlichen Weg zum Appartement in der fünften Etage übernahm er persönlich.

Nach anfänglichem Einzugstrubel verhielt sich Bert Beule total unauffällig. Nur direkt auf die Wohnungstür mittels Lippenstift notierte amouröse Mitteilungen, brachten mich auf meinen morgendlichen Rundgängen gelegentlich zum schmunzeln. Einmal offenbarte sich, der filigranen Stiftführung nach zu urteilen, eine Frau: »Berti, es ist soooo schön mit dir. Call me. 1000 Küsse.«

Wenige Tage später war die Nachricht verwischt und mit Lipliner übermalt. In blutroten Lettern prangte: »Du Schwein. Warum meldest du dich nicht?«

Nachdem das Türblatt zwischenzeitlich komplett gereinigt wurde, verzierte eines Morgens die mir vertraute Handschrift erneut den weißen Untergrund: »Alles Gute zum Geburtstag. Ich liebe dich. Bitte rufe mich an.« Ein kunstvoll gemaltes Herzchen und Kussabdruck über dem Guckloch rundete das Gesamtwerk ab.

Als Tags danach, mit andersfarbigen Lippenstift und differenziertem Schreibstil daneben stand: „Lass meinen Mann in Ruhe du Schlampe!“, beschloss ich bei nächster Gelegenheit, Herzensbrecher Beule diskret darauf anzusprechen.

Bevor es dazu kam, überschlugen sich die Ereignisse. Die Hausverwaltung informierte darüber, dass Beule keine Miete zahlte und Hausbewohner Ralf Riegel, vom Beruf Gefängniswärter, grüßte auf dem Flur mit den Worten: „Seit kurzem ist es so, als wenn ich die Arbeit mit nach Hause nähme.“ Auf Nachfrage berichtete mir Ralf, von einem Knacki auf Freigang, der in unmittelbarer Nachbarschaft verkehrte – die genaue Identität wollte er mir verständlicherweise nicht verraten. Schweigepflicht. Tage später sprach mich der Inhaber einer Versicherungsagentur an. Dessen Allianz-Vertretung lag unweit, auf der anderen Seite der Straße in einer Ladenpassage. Er erzählte, jemand aus meinem Wohnhaus, bestellte an die Adresse der Allianz zahlreiche Pflanzen, Möbel, Deko, Elektrogeräte. Clou der Masche: Der Täter kaufte auf Rechnung bei örtlichen Kleinbetrieben, die ihre Waren selbst auslieferten oder den Versandauftrag an Speditionen vergaben. Damit umging er die ortskundigen Stammzusteller von DHL, GLS, Hermes und UPS. Liefertermin war immer mittags um 13 Uhr. Geschickt eingefädelt – das Versicherungsbüro hielt zwischen zwölf und fünfzehn Uhr Mittagspause. Innerhalb des komfortablen Zeitfensters vermochte der Betrüger mühelos den jeweiligen Auslieferer abfangen. Ich schilderte dem geprellten Versicherungsvertreter meine Beobachtungen. Die erdrückenden Beweise und die Anzeige brachte die Polizei zu schnellem Handeln. Der Freigänger mit Hafterleichterung dürfte bei seiner abendlichen Rückkehr in die JVA nicht schlecht gestaunt haben.

Letztendlich nahm alles eine gutes Ende: Bert Beule blieb im Gefängnis. Die Wohnung konnte sofort wieder neu vermietet werden und der Mietrückstand wurde durch die Kaution ausgeglichen. Der echte Allianz-Agentur-Inhaber wies die Forderungen erfolgreich von sich und die Lieferanten erhielten viele Artikel im neuwertigen Zustand zurück.

Möchtest du deine Wohnung selber vermieten – prüfe alle Unterlagen auf Plausibilität und Echtheit. Lass dir den Personalausweis zeigen und vergleiche die Übereinstimmung der Meldeanschrift mit auf der Lohnabrechnung. SCHUFA-Abfragen gehen mit einem Online-Code zum einmaligen Gebrauch einfach und schnell. Einzeltermine bei Wohnungsbesichtigungen dauern zwar länger, bringen aber bessere Informationen. Mehr zum Thema demnächst im Blog: Wie plane ich einen Besichtigungstermin.